2018. Familien.Geschichten.
nur noch wenige Resthefte verfügbar
Ehrengast im Heft 4 - Johannes Burkhardt - Grünauer Maler, Grafiker und Autor
„Ich - Johannes Burkhardt. Geboren 1929. Diplom 1953.
Freischaffender Künstler, Landschaft und Porträt, auch Wandmalerei.
1955 Heirat mit der Tanzpädagogin Christine Kerda.
Wohnorte der Familie: Leipzig, Dölzig, Leipzig-Grünau.
Zwei Töchter, vier Enkel, vier Urenkel …“
Hartmut Tympel Wisst Ihr noch - die Burgschänke?
Die Gäste der „Burgschänke“ waren meistens friedvolle Bürger. Gab es doch einmal Ärger, schritt der Wirt höchstpersönlich ein. Neben dem Verkaufswagen stand eine Regentonne, welche ca. 200 Liter Wasser fasste. Dort tauchte der Wirt unliebsame, stänkernde Gäste kopfüber ein und ließ diese eine längere Zeit unter Wasser. Bei manchem bekam man Angst, dass er bei dieser Prozedur ertrinkt. Das ist keinem passiert. Aber nüchtern waren danach alle. ...
Silke Heinig Das Popometer
Völlig heiser schlurfte ich letzten Herbst in die Apotheke am PEP. Der Kopf tat mir weh, die Schultern hingen schlaff und ich schwitzte. Dabei war ich gerade mal aus der Straßenbahn ausgestiegen. Ich wollte nur ein verträgliches Erkältungsmittel kaufen und mich dann zu Hause einkuscheln. Aber die Apotheke war knackvoll. Das konnte dauern. Neben mir drehte sich ein kleines Mädchen immer mal wieder um die eigene Achse. Sie spielte mit ihrem Schatten, den die vielen Deckenlampen im Raum herbeileuchteten. Ich lächelte sie an. Diese kindliche Unbekümmertheit kam mir in meiner drögen Grippeblase so wunderbar leicht und schwerelos vor. Als ich endlich dran war, konnte ich kaum reden. In dem Moment stupste mich die Kleine von der Seite an: „Du musst Dir Honig in die Milch machen und mit dem Popometer messen. Dann geht’s Dir morgen wieder gut.“ So einfach ist das.
Gudrun Ebert Dornröschen hat Feierabend
Leise gleitet die S-Bahn durch den Abend. In der Dämmerung ziehen Felder, Wiesen, Ortschaften an mir vorbei. Seit einigen Jahren fahre ich nun schon mit meinem Spinnrad zum „Oma-und-Opa Tag“ in das Volkskundemuseum Wyhra im Landkreis Leipzig. Ich zeige dort, wie man früher aus einem Berg schmutziger Schafwolle einen Faden hergestellt hat. Mit meinem Spinnrad und dem Wollkorb sitze ich im Hof des Museums, einem gepflegten Vierseitenhof. Es dauert nie lange, da komme ich ins Gespräch mit den Besuchern. Manche erzählen mir aus ihrer Kindheit, als die eigene Großmutter am Spinnrad saß. Einige Meter weg von mir steht ein kleines Mädchen. Sie steht, hält den Kopf etwas schräg und schaut mir zu, was ich da mache. Plötzlich hebt sie ihren Kopf und schaut mir direkt in die Augen. „Sag mal“, fragt mich das Mädchen, „heißt du Dornröschen?“ Oh, das hatte mich noch niemand gefragt. Ich weiß für einen Moment nicht, was ich antworten soll. Mir fiel natürlich sofort das alte Kinderlied ein: Dornröschen war ein schönes Kind. „Ich glaube nicht, dass ich ein Dornröschen bin“, antwortete ich ihr schließlich. „Dornröschen war doch jung und schön ...“ Das Mädchen ließ mich nicht ausreden. Sie hatte eine ganz einfache Erklärung: „Ach was“, sagte sie und schaute mich verschmitzt an, „alle Mädchen werden mal Oma.“ Zuerst war es ganz still um mich. Dann war nur noch freundliches Lachen der umstehenden Besucher zu hören. Wie gut das tut. „Nächste Haltestelle: Leipzig, Grünauer Allee.“ Ach herrje, ich muss aussteigen. Der Zugbegleiter hilft mir, mein Spinnrad auf den Bahnsteig zu setzen. „Na, Feier-
abend?“, fragt er. „Ja“, sage ich noch ganz in Gedanken an das kleine Mädchen. „Dorn- röschen hat Feierabend.“ Als sich die Tür der S-Bahn schließt, sehe ich sein Lachen.